Was Kindern den Schlaf raubt

Wien (pts026/18.04.2016/15:40) – Anlässlich Ihres 25-jährigen Bestehens veranstaltete die Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM/ASRA) Anfang April 2016 ihre Jubiläumstagung „Schlafmedizin einst und heute“ in Wien. Dabei wurden aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert, ein Schwerpunkt beleuchtete die häufigsten Ursachen von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen.

Kurz vor dem Einschlafen laufen viele Vorgänge – körperlich und seelisch – ab, die im Normalfall wie von selbst das Tor zum Schlaf öffnen. Herzschlag, Puls und Atmung verlangsamen sich, ebenso wie das Hirnstrombild, und man beginnt, die Welt des bewussten Daseins zu verlassen. Doch nicht immer ist das unkomplizierte Ein- und Durchschlafen selbstverständlich. Schlafstörungen können bereits im Kleinkindalter aus den unterschiedlichsten Gründen auftreten. Zu den häufigsten kindlichen Schlafstörungen zählen Pavor nocturnus („Nachtschreck“), Schlafwandeln sowie Albträume.

Kindlichen Schlafstörungen sind meist vorübergehend

Die Häufigkeit von Schlafstörungen und sogenannten schlafassoziierten Störungen im Kindesalter wird – abhängig von der angewandten Definition – sehr unterschiedlich angegeben (10-40%) und ist stark altersabhängig. „Bei vielen Problemen handelt es sich allerdings um keine Schlafstörungen im engeren Sinn, sondern um inadäquate Erwartungen, aber auch Fehlbetreuung durch die Eltern,“ erklärte Univ-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendliche am LKH Hochsteiermark, Leoben. Die typische Ursache der Schlafstörung ist je nach Lebensalter unterschiedlich: Im Säuglingsalter handelt es sich oft noch um eine nicht völlig entwickelten Tages-/Nachtrhythmus – meist gepaart mit dem elterlichen Unverständnis für diesen physiologischen Entwicklungsprozess. Später stehen der „Nachtschreck“ (Pavor nocturnus) und Schlafwandeln sowie Albträume im Vordergrund, so Kerbl. Insbesondere der Pavor nocturnus sei für viele Eltern besorgniserregend, hier sind Kinderärzte bezüglich Aufklärung und Verhaltensberatung gefordert. Der Nachtschreck beginnt zumeist mit einem angstvollen Schreien oder Weinen: „Das Kind befindet sich im Tiefschlaf und schreckt ganz plötzlich in Panik auf – oft verschwitzt, ohne Orientierung und nicht ansprechbar, obwohl die Augen weit geöffnet sind. Andere Personen erkennt das Kind in der Regel nicht. Nach einigen Minuten ist der Spuk vorbei – und das Kind schläft normal weiter.“

Abklärung beim Experten

Kindliche Schlafstörungen können meist allein aufgrund des Vorberichts diagnostisch eingestuft werden. Von den Eltern angefertigte Videos sind oft hilfreich. In wenigen Fällen – insbesondere bei der Abgrenzung epileptischer Anfälle – ist eine schlafmedizinische Untersuchung erforderlich. Eher selten wird eine medikamentöse Therapie empfohlen. „Im Schulalter können Schulängste hinzukommen, und beim Jugendlichen kann schließlich ein unregelmäßiger Tages- bzw. Wochenablauf die Schlafqualität und -quantität stören“, erläuterte Kerbl. „Aus verminderter Schlafdauer und Schlafqualität entstehen in weiterer Folge häufig vermehrte Tagesmüdigkeit und Leistungseinschränkung, z.B. im Schulalltag.“ Ins Jugendalter andauernde oder erst im Jugendalter auftretende Schlafstörungen haben laut dem Experten eine schlechtere Prognose und sind häufiger mit anderen Erkrankungen verknüpft: „Das muss entsprechend abgeklärt werden, um eine adäquate Therapie einleiten zu können.“

Weniger ist mehr: Fernsehen und Handy stören den Schlaf

Wenn es ihnen von den Eltern erlaubt wird, verbringen Kinder und Jugendliche erfahrungsgemäß sehr viel Zeit vor Bildschirmen, die Möglichkeiten sind vielfältig: Fernsehen und Video, Computer, Spielkonsole, Tablet und Smartphone. „Studienergebnisse zeigen, dass Bildschirmgewohnheiten spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit und auch das Ausbildungsniveau von Kindern haben können,“ erklärte Kinderarzt Dr. Werner Sauseng, Amt für Jugend & Familie der Stadt Graz. Zu lange Bildschirmzeiten führen nicht selten zu Schlafproblemen bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere abendliches Fernsehen kann die Schlafqualität von Kindern reduzieren, betonte Sauseng: „Nachtschreck, Albträume, Sprechen im Schlaf und Müdigkeit nach dem Aufwachen sind bei Kindern, die einen Fernseher im Schlafzimmer haben, gehäuft.“ Handy-Gebrauch nach dem Lichtausschalten führt oft zu einer erhöhten Tagesmüdigkeit.

Bildschirm-Knigge für den Alltag „Es ist empfehlenswert und auch die Aufgabe der Eltern, die Zeit vor dem Bildschirm bzw. Display und auch die angesehenen Inhalte altersentsprechend zu begrenzen“, so Sauseng. Doch sehr oft wissen Eltern gar nicht, dass sie ihren Kindern diesbezüglich zu viele Freiheiten angedeihen lassen bzw. welche Ausmaße überhaupt angemessen sind. Die Tipps des Pädiaters: * Kinder unter 2 Jahren sollten gar keine Zeit vor Bildschirmen verbringen, auch nicht mitschauen oder zuhören. * Die Zeit vor Bildschirmen sollte für Kleinkinder über zwei Jahren bis ins Vorschulalter höchstens 30 Minuten pro Tag betragen. Für ältere Kinder kann diese Zeitspanne schrittweise erhöht werden. Im Jugendalter sollte die Bildschirmzeit 2 Stunden pro Tag nicht überschreiten. * Kinderzimmer sollten „bildschirmfrei“ bleiben, insbesondere Smartphones sollten sich nachts nicht eingeschaltet im Kinderzimmer befinden. * Kinder sollten nur altersgerechte Inhalte sehen bzw. Spiele spielen. Inhalte, die Gewalt beinhalten, sind zu vermeiden. * Eltern sollten ihre Kinder vor dem Bildschirm nicht allein lassen und sich für die Inhalte interessieren, die ihre Kinder beschäftigen. * Bildschirme sind weder als Babysitter noch als Sprachen- oder Sprechlehrer geeignet. * Die Zeit vor dem Schlafengehen, vor der Schule oder Kindergarten sowie die Essenszeiten sollten bildschirmfrei bleiben. * Eltern sollten ihren Kindern stattdessen oft vorlesen und mit ihnen altersentsprechende Gesellschaftsspiele spielen.

Experten-Tipps für gesunden Schlaf bei Kindern und Jugendlichen „Aufklärung, Beratung, eventuell psychotherapeutische Betreuung sind die wichtigsten Maßnahmen bei nicht-organischen Schlafstörungen“, so Univ-Prof. Dr. Reinhold Kerbl. „In vielen Fällen kann das Problem bereits durch eine optimierte Schlafhygiene gebessert oder beseitigt werden.“ Die wichtigsten Maßnahmen:

1. Angenehmes Klima, ruhiger (nicht zu abgelegener) Raum, gutes Bett 2. Eigenes Bett in der Nähe des elterlichen Schlafzimmers (im 1. Lebensjahr eigenes Bett im elterlichen Schlafzimmer) 3. Kein völlig abgedunkelter Raum 4. Geregelte Bettgehzeit ohne große zeitliche Schwankungen 5. Kein Stress vor dem Schlafengehen (Fernsehen, Computerspiele etc.) 6. Besprechen eventueller Ängste 7. Abschließen des Tages („Bettgeh-Rituale“: z.B. Gutenachtgeschichte, Abendgebet) 8. Keine Drohungen („Wenn du nicht schläfst….“)

Die Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM) wurde 1991 als wissenschaftliche Fachgesellschaft gegründet. Ihre Hauptanliegen sind neben der Erforschung des Schlafes auch die Festlegung einheitlicher Standards zur Diagnostik, Dokumentation und Therapie von Störungen des Schlafes und des Schlaf-Wach-Rhythmus für Österreich sowie die Akkreditierung von Schlaflaboren. Die Mitglieder gehören verschiedenen Fachrichtungen an: Biomedizinische Technik, HNO, Innere Medizin, Neurologie, Pädiatrie, Psychiatrie, Psychologie, Pulmologie, Zahn- und Kieferheilkunde. http://schlafmedizin.at

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