Kopenhagen (pts037/30.05.2016/14:45) – Mehr als 6.000 Teilnehmer, 1,547 angenommene wissenschaftliche Beiträge mit insgesamt 6,555 Autoren, 82 wissenschaftliche Sitzungen und 362 Vortragende: Das ist die in Zahlen gegossene Bilanz des 2. Kongresses der European Academy of Neurology (EAN), der vom 28. bis 31. Mai 2016 in Kopenhagen stattfindet.
„Wir sehen es auch als Anerkennung unserer wissenschaftlichen Arbeit, dass der Kongress heuer in Dänemark abgehalten wird“, betonte Prof. Mads Henrik Ravnborg, Präsident der Dänischen Neurologischen Gesellschaft. „Dänemark und die skandinavischen Ländern generell haben nicht nur eine lange Tradition exzellenter neurologischer Forschung, sondern auch aktuell leisten wir wichtige wissenschaftliche Beiträge zur europäischen Neurologie und haben eine sehr aktive neurologische Forschungsgemeinschaft, wie allein die mehr als 100 Beiträge dänischer Forscherinnen und Forscher auf dem Kongress zeigen.“
Ein Bereich, in dem sich die dänische Neurologie als besonders stark positioniert sind die zahlreichen Registerdaten. „Studien, die auf systematisch gesammelten Registerdaten basieren, haben großen Wert. Anders als klinische Studien, die unter streng definierten Bedingungen ablaufen, bilden Register die medizinische Praxis mit all ihren Unregelmäßigkeiten ab und können so die Stärken und Schwächen von Therapien besonders deutlich sichtbar machen. Damit sind sie auch ein wichtiger Beitrag zur Patientensicherheit“, so Prof. Ravnborg. „Wir sind hier in einigen Bereichen unter den europäischen Vorreitern, was die Breite neurologischer Indikationen betrifft, zu denen wir Registerdaten haben.“
Auf dem EAN-Kongress in Kopenhagen werden zahlreiche Datenanalysen aus dänischen Registern präsentiert. So etwa eine große Kohortenstudie aus Aarhus, die sich mit den kognitiven Fähigkeiten von Kindern beschäftigt, deren Mütter während der Schwangerschaft Medikamente gegen Epilepsie eingenommen haben. Ausgewertet wurden die Daten von 479,021 Kindern, wobei deren Abschneiden bei den in Dänemark üblichen landesweit durchgeführten Grundschul-Tests analysiert wurde. Insgesamt schnitten die Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Antiepileptika einnahmen, schlechter bei den Tests ab.
Am deutlichsten zeigten sich die Schwächen in jenen Fällen, in denen die Mutter die Substanz Valproat einnahm, ebenfalls signifikant, wenn auch etwas weniger deutlich, bei Clonazepam. „Eine Fortsetzung der antiepileptischen Therapie während einer Schwangerschaft ist für die Gesundheit von Mutter und Kind wichtig“, kommentiert Prof. Ravnborg die Daten. „Allerdings zeigen uns diese Ergebnisse auch, wie wesentlich es ist, dass betroffene Frauen ihren Kinderwunsch in enger Absprache mit ihrem behandelnden Neurologen planen und das für sie optimale Therapiemanagement absprechen.“
Aufmerksamkeit galt auf dem EAN-Kongress auch den Ergebnissen einer Studie aus Odense (DK), in der einem möglichen und in früheren Arbeiten vermuteten Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura, „white matter hyperintensities“ (WMH, Schäden an der weißen Substanz, die mit kognitiver Beeinträchtigung und Gehirnschlag in Verbindung gebracht werden) und dem Auftreten sogenannter „stummer“ Schlaganfälle – also von Hirninfarkten ohne die typischen Symptome – nachgegangen wurde. Untersucht wurden weibliche Zwillinge zwischen 30 und 60 Jahren mit und ohne Migräne mit Aura, wobei mittels MRI das Vorliegen allfälliger stummer Infarkte sowie von WMH festgestellt wurde.
„Die Studie konnten keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und dem Vorliegen von Schäden an der weißen Hirnsubstanz feststellen“, so Prof. Ravnborg. „Eine Reihe von Studien in den letzten zehn bis 20 Jahren kamen zum Ergebnis, dass Migränepatienten mit Aura ein erhöhtes Risiko für kleine Hirninfarkte in der weißen Substanz haben. Die aktuelle Arbeit widerlegt diese Theorie. Das ist eine große Erleichterung für Migränepatienten. Neurologen sollten intensive diagnostische Maßnahmen in Betracht ziehen um herauszufinden, ob es andere Gründe für WHM bei dieser Patientengruppe gibt.“
Unter den dänischen Studien, die auf dem EAN-Kongress präsentiert wurden, ist auch eine Premiere: Eine Forschergruppe der Universität Aarhus hat erstmals eine landesweite Registerstudie zum Morbus Charcot-Marie-Tooth (CMT) erstellt, sowie erstmals Häufigkeit und Mortalität ausgewertet. CMT ist die häufigste neurogenetische Erkrankung. Die wichtigsten Symptome bestehen in einer zunehmenden Schwäche von Händen und Füßen, die sich nach und nach in den Armen und Beinen ausbreitet und zu erheblicher Behinderung führt. Die Studie zeigt eine Inzidenz von 0,76 Fällen pro 100.000 Einwohnern. CMT-Betroffene sterben durchschnittlich mit 70 Jahren und damit deutlich früher als dänische Durchschnittsbevölkerung.
Prof. Ravnborg: „Diese Studie ist ein besonders gutes Beispiel für den großen Nutzen bevölkerungsbasierter Registerstudien. Ich bin sehr besorgt, dass die Verschärfung der dänischen Datenschutzbestimmungen, die politisch beschlossen wurde, unseren Zugang zu solchen gesundheitsbezogenen Daten unterminieren wird – und das trotz des großen gesellschaftlichen Nutzens dieser wissenschaftlichen Auswertung.“
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