Ahnenforschung – Streit in der Ehe und Köchinnen der Pfarrer

Wien (pts040/02.07.2018/16:00) – Gewalt in der Ehe, Dispense, nicht eingelöste Eheversprechen sowie Streitigkeiten, Kinder und skandalöses Leben der Pfarrer – bis hin zum Totschlag.

Neben dem weltlichen Gericht (Landgericht) gab es für kirchliche Angelegenheiten (Ehesachen, Pfarr(er)sachen, Inquisitionssachen etc.) das Konsistorium. Vor 1785 gehörte das Land unter der Enns vorwiegend zum Bistumsbereich Passau, mit rund 42.000 Quadratkilometer damals die größte Diözese des Deutschen Reiches. Die großen Entfernungen bzw. die flächenmäßig große Ausdehnung der Diözese machten bereits um 1300 eine Aufteilung notwendig: Das obere Offizialat (Lorch; bei Enns) und das untere Offizialat entstanden. Die Trennung bildete dabei nicht die Enns, sondern die Ybbs. Die Protokolle beginnen 1505 und enden 1785.

In diesen Protokollen finden wir nicht nur Streitfälle der Untertanen von Pfarren, sondern auch Dispense, Ansuchen um Wiederverehelichung (nach Kriegen), Gewalt in der Ehe, nicht eingelöste Eheversprechen und Weigerungen von Pfarrern und Grundherrschaften bei Trauungen sowie auch Verfehlungen der Pfarrer, Streitigkeiten, Pfarrer-Kinder, skandalöses Leben bis hin zu Totschlag.

Nun steht Ihnen auf meiner Internetseite http://www.FelixGundacker.at unter downloads kostenlos ein Aufsatz von 90 Seiten zur Verfügung. Etliche spannende Fälle habe ich hier zusammengestellt. Untenstehend finden Sie einen kleinen Auszug.

Einen Index der Ehesachen zwischen 1665 und 1775 mit rund 100.000 Datensätzen finden Sie auf der Internetseite http://www.GenTeam.eu. Er wird wohl für all jene von Interesse sein, die in Niederösterreich Vorfahren vor 1775 erforschen.

Als Beispiel für ein weltliches Gericht finden Sie auf meiner Internetseite http://www.FelixGundacker.at unter downloads einen Auszug aus dem Strafprotokoll des Landgerichtes Arbesbach.

Auszug:

Dispense bei Blutsverwandtschaft wurden fast ausnahmslos erteilt. Etliche dieser Dispense sind jedoch in den Matriken nicht vermerkt worden! Wir können daher nicht ausschließen, dass ein in den Matriken ohne Zusatz erwähntes Brautpaar nicht doch im 3. oder 4. Grad verwandt war. Beim Lesen der zahlreichen Beispiele gewinnt man allerdings den Eindruck, dass Brautpaare Defloration und Impraegnierung der Braut bewusst begingen, um als arme Leute jeden möglichen Widerstand von Kirche und Grundherrschaft zu brechen. Andererseits kann man durchaus erkennen, dass Pfarrer oft willkürlich gegenüber Brautpersonen auftraten, das Konsistorium jedoch korrigierend eingreifen musste und dem Pfarrer oktroyierte, die Trauung abzuhalten. Drei Beispiele sind unter 3.1.6 zu finden.

Ob eine Ehe tatsächlich alleine aufgrund einer fehlenden Überprüfung eines nahen Verwandtschaftsverhältnisses vor der Trauung annulliert werden konnte, ist eher zu bezweifeln. Vermutlich waren die mit den Streitigkeiten verbundenen Morddrohungen der wahre Grund, dass die Ehe zwischen Johann Andreas Wagner und Elisabeth geb. Weickhardt nach rund 8 Jahren wieder gelöst wurde.

Gewalt in der Ehe war offenbar weit verbreitet – teilweise auch auf Seiten der Frau! Von Injurien über Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt über üble Schläge bis hin zu Morddrohungen: … wie daß der beklagte wider den zwischen ihnen ergangenen abschidt de dato 25. 7bris 671 sich in vill weeg vergriffen, indeme er sye nicht allein ganz tyrannischer weiß, alß eine Sclavin tractire, sondern auch mit betrohung dermasßen zueseze, daß darauß anderst nichts als ein gewisßer mordt zu besorgen seye: ….. Der Rechtsanwalt des Ehemannes Felix Morth, Dr. Böhm, argumentierte im Verhör: einem Mann seye erlaubt, sein Weib zu castigiren, wann selbige böß, vnd ihme vngehorsamb seye.

Das Konsistorium reagierte oftmals zu mild: …daß hinführo beede Theill einander ehelichen beywohnen, auch friedt, vnd ainig, wie es frommen eheleüthen gebührt, leben ….. Da half auch die Androhung von Strafen nicht: … wieder selbiges aber, So auß Ihnen zuekünfftige Vneinigkeit Vrsach geben würdt, mit leibs straff verfahren werden solle.

Auch Vorwürfe von Zauberei gab es, um eine Scheidung (in diesem Fall wurde tatsächlich das deutsche Wort Schaydung der Ehe verwendet) zu erwirken: Puecherin Maria Cunigundis, Contra Georgn Puecher, maritum, bringt an, wie daß sye sich vor 3. Wochen mit demselben verEhelichet habe: weilen er aber mit lauther bösen stückhlen vnd Zaubereyen behafftet, auch sye dergestalt mit schlägen übel tractire, daß ihr nichts möglich, länger bey ihme zu verbleiben: alß bittet sye, Ein vble Consistorium wolle in die Schaydung der Ehe Verwilligen.

Aber auch Frauen konnten zuschlagen: Mithilfe ihrer Tochter schlug Elisabeth Winter ihren Mann und sperrte ihn aus seinem Haus. Nach viel Streit und Brutalität auf beiden Seiten wurde die Trennung für ein halbes Jahr genehmigt. Als allerdings ermelte Windterin mit einem Verdächtigen Manß Persohn, nicht allein mit ärgernuß des Volckhs herumb Ziehe, drehte ihr Mann den Spieß um und verlangte einen Urteilsspruch gegen seine Frau.

Immer wieder lesen wir, dass ein Mann die Frau unter dem Versprechen der Ehe zu Fall gebracht, defloriert und impraegniert hatte, schließlich jedoch nicht zu seinem Versprechen stand. Mitunter war der Nachweis des Versprechens schwierig, in fast allen Fällen kam es zwar nicht zu einer Ehe, jedoch zu einer finanziellen Abfindung. Besonders beeindruckend ist Maria Steinbacher, die 7 Monate lang um ihr Recht kämpfte. Wäre das Konsistorium gleich ihrem Antrag nachgekommen, den Kindesvater in Arrest nehmen zu lassen, hätte dieser Streit wohl nicht so lange gedauert.

Wenn es auch zwischen 1627 (theoretisch; tatsächlich ca. 1690) und 1782 mit Ausnahme der Gesandtschaften in Wien in Niederösterreich keine evangelische Pfarrgemeinde gab, lebten doch auch Protestanten in diesem Land. Der 1627 in Niederösterreich verbotene Protestantismus ebbte erst kurz vor 1700 ab (dies geht aus zahlreichen Hinweisen aus grundherrschaftlichen Kaufprotokollen hervor). Andererseits gab es immer wieder protestantische Zuwanderer, die hier aufgrund ihrer Fachkenntnisse vor allem in den Fabriken Arbeit fanden: In Wien Penzing und Schwechat finden wir einige Beispiele auch vor 1760. In Obergrafendorf südlich von St. Pölten wurde am 26.11.1771 die evangelische Trauung zweier Protestanten in der katholischen Pfarrkirche vom katholischen Pfarrer vollzogen.

Schulden, Schläge, Trunkenheit, Injurien, ein Duell, Totschlag, Schuss mit Todesfolge (Unfall), Dienstmagd geschwängert, Streit mit dem Schulmeister, Kirchenbesucher aus der Kirche gestoßen, Beichte verweigert, Untertanen bei Hitze nicht begraben, skandalöses Leben mit Köchin, nicht bezahlter Unterhalt für das eigene Kind, und vor allem säumiger Gottesdienst, fehlende Seelsorge und schlechte Vorbereitung der Predigt: Das waren einige Vergehen der Pfarrer. Die unter 3.2 angeführten Beispiele sind lediglich ein Auszug aus den Jahren 1673-1678.

Die sprichwörtliche Pfarrersköchin als Konkubine des Pfarrers hat es häufig gegeben, auch daraus entstandene Kinder, die teilweise als solche anerkannt, teilweise jedoch auch geleugnet wurden. Einige Beispiele aus der zweiten Hälfte des Jahres 1666: Am 7.7.1666 beschwert sich Graf Hoyos über Jakob Murlach, Pfarrer von Wolfpassing: … ein sehr vnExemplärisches leben führe, vnd zwahr … 6to mache die bey Ihme in Dienstn sich befündende Köchin grosse scandola. Petrus Altwiß, Dechant zu Hohenruppersdorf, zaigt an, wie daß Johannes Khramer Pfarrer zu Eybeßthall seine Köchin geschwängert, vnd zu Vnterhaltung des Kindts wie auch ihrer selbst aigenen befridigung, 30 f Versprochen habe, daß Kindt aber seyye von Dem Pfarrer zu Birraworth getaufft wordn, welcher solches delictum in einem vbli Consistorio nit angezaigt, vnd dahero Ebenfahls straffmesßig ist. Vier Wochen später sucht Pfarrer Kramer reumütig um Entlassung aus dem Arrest an. Am gleichen Tag bringen der Richter und die Gemeinde von Göttlesbrunn vor, wie daß der Pfarrer alda sich scandalose verhalte, vnd die Köchin in seinem Peth ligen lasße, ohne schew, daß solches auch andere sehen, bitten also vmb amouirung desßelben von der Pfarr. Etwas später gibt es eine Beschwerde über den Pfarrer von Albrechtsberg, Johann Holzbog, weil er ein sehr scandalosisches leben führe, vnd sowohl mit den weibsbildern verdächtig, als auch …. 1667 erwähnt Anton Cleri, wie daß sein Vetter oder Herr Friedericus Legatt Pfarrer zu Reisenberg mit seiner Khöchin als wie man vnd weib hause, vnd als Er Ihne Pfarrer derenthalben dehortirt, sey derselbe mit einem mösser auf Ihn wie auch die Khöchin mit einer offen Gabl zuegerendt, vnd erbärmlich erschlagen, so trinke auch mergedachte Khöchin sich alle tag vol.

Verbale Entgleisungen waren häufig: 1666 beschwert sich die Gemeinde über Pfarrer Jakob Wölffer aus Unterwaltersdorf, daß Er sye für Kirchenrauberische Dieb gescholtn habe. Johann Eisenman, Untertan aus Niederleis, contra H Augustus Tax Pfarrern zu Ladendorff zaigt an, wie daß ihm der beclagte mit allerley schmach vnd Injuri wortten angetast, vnd vor andern leüthen für einen rdo Schelm vnd Dieb außgeschrien habe, …. Graf von Kollonitsch beschwert sich 1667, wie daß Herr Joes Batta Starschiz Pfarrer alda, nicht allein wider seine bediente allerley Hizigkeit in wortten erzaige, sondern auch die Vnderthanen wider die Gebühr in der Stola Staigere, vnd dan eine suspecte Köchin bey sich auffhalte. Auch zwischen Geistlichen ging es oft heiß her: 1667 beschwert sich Pfarrer Michael Ignaz Ludwig von Weiten über den Priester Eberhard Vogl, wie daß ihn der Geg. durch einen offentlichen Brieff höchstens injurirt, vnd 1o einen Ehebrecher, 2do einen Mörder, 3tio einen Kirchendieb 4to einen Spizbueben, 5to Einen Simoniacu vnd 6to einen Kirchenschänder Zuseyn bezichtiget habe.

Etwas delikat der folgende Fall 1667: Blutschande und zerquetschte Genitalien Siberer Christoph Schneider, Contra Herrn Carl Scheittl Pfarrer zu St. Leonhardt, zaigt an, wie daß der beClagte noch Vor 27 Jahrn, seine Maim zu Dirnholz in Mähren, deflorirt, selbige aber nachmalln ihme Supplten VerEhelichet habe, worauff Er beclagter in wehrender Ehe Verrers die Bluethschandt, an vnterschiedlichen orthen vnd Pfarren, mit ihr Veryebt, allermassen Sye ihme als ihren Ehewürth solches iüngst abgewichenen Fest Allerheyligen vmbstendig bekhenndt, vnd solches ebenfahls anderwertig auszusagen Vrbiettig ist, bitt also bey solcher beschaffenheit, in die Separationem Thori et Mensae zuVerwilligen, wie auch dem Gegthl. welcher ihme auß Zorn, S: V: die genitalia erbärmlich zerquetscht die Ersezung des erlittenen Schadens aufzulegen. Im Übrigen aber wolle Er Einem vbli Consisto die Dictirung der Straff wegen des begangenen Incestus haimbgestellt haben.

Angesichts der zuvor erwähnten Fälle erscheint der folgende eher harmlos: Lämpel Adam Edler H. von Frandtspurg, contra H. Joh. Georg Koch, Pfarrer zu Weitersfeldt, bringt an, wie daß derselbe 1o den Schergen Zwischen der Kirchen thür stehen lassen, vnd die Jenige leüth, welche nach gehörtn Ambt die Predig nit hören anzugreiffen, bevohln habe, allermassen Er dan einen der Huett genumben, 2do Predige Er Pfarrer selbstn nicht, sondern lasße seinen Caplan, welcher ein Westpfäling vnd nit recht teutsch khan, anstatt seiner Predigen, daß also die leüth einen Verdruß bekhumen, bey der Predig zuverbleibn, …

Größtenteils ging das Konsistorium sehr milde mit seinen Pfarrern um. Nur selten lesen wir von Absetzung und Strafe bis hin zum Arrest. drey tag mit Wasßer vnd brodt in arrest werden Pfarrer Fabricius allerdings nicht wirklich geschmerzt haben. Pfarrer Jakob Wäginger sucht 1666 sehr untertänig um Entlassung aus dem Arrest an: Wäginger M Jacobus, Pfarrer zu Gainfahrn, bitt vmb entlasßung des arrests, aus vrsach daß Er die gethane Standalos Khezerische reden bey einer Mahlzeit, nur per modum Disputationis vorgebracht, vndt niemahlen der mainung gewesen seye, daß Er solche glaube, vnd für wahr halte.

(Ende)

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