Herzinsuffizienz – ein unterschätztes Leiden

Wien (pts034/13.11.2018/15:20) – Schätzungen zufolge leidet jeder zehnte Österreicher an Herzinsuffizienz. Die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, dennoch sind Morbidität und Mortalität insbesondere aufgrund der hohen Dunkelziffer der Betroffenen hoch. Früherkennung und der damit verbundene rasche Therapiebeginn können die Prognose vieler Patienten deutlich verbessern. Aus aktuellen Statistiken lässt sich jedoch ableiten, dass Herzinsuffizienz hierzulande nach wie vor deutlich unterdiagnostiziert und unterbehandelt sein muss.

Herzinsuffizienz entwickelt sich schleichend. Dabei ist der Herzmuskel immer weniger in der Lage, die benötigte Menge an Blut in den Kreislauf zu pumpen und den Bedarf des Körpers an Sauerstoff und Nährstoffen zu decken. Daraus erklärt sich auch die Symptomatik: Anfänglich leiden die Betroffenen bei stärkerer körperlicher Belastung unter Atemnot, in weiterer Folge macht sich die Atemnot zunehmend auch bei weniger Belastung und schließlich auch bei kleinsten Tätigkeiten bemerkbar. Die schwerste Form ist die sogenannte Ruheatemnot, die auch lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann.

De Verdachtsdiagnose wird aus der klinischen Präsentation gestellt, als Hauptuntersuchungsmethode ist die Echokardiographie etabliert. Zur Behandlung steht eine Vielfalt von Möglichkeiten zur Auswahl – von Medikamenten über Implantation von Klappen oder technischen Devices bis hin zur Herztransplantation.

Standardisierte medikamentöse Therapie „Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz basiert auf drei Medikamentengruppen, die in der Erstlinie eingesetzt werden“, erläutert Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael M. Hirschl , Vorstand der Abteilung für Innere Medizin im Landesklinikum Zwettl, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Es handelt sich dabei um: – Antiotensin-converting-enzyme-Inhibitoren (ACE-Hemmer)/AT2-Blocker, – Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA) sowie – Betablocker.

Diese drei Gruppen können die Auswurfleistung verbessern und werden zur Behandlung jedes Herzinsuffizienz-Patienten empfohlen, sofern vertragen und nicht kontraindiziert. Kürzlich ist als vierte kausale Behandlungsoption die Kombination Angiotensin-Rezeptor/Neprilysin-Hemmer (ARNI) Sacubitril/Valsartan hinzugekommen. Sie wird meistens dann eingesetzt, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden bzw. nicht ausreichend wirksam sind. Daneben können kurzfristig Diuretika indiziert sein. Bei schwer herzinsuffizienten Patienten spielen auch sogenannte Zweitlinien-Medikamente eine Rolle, welche zwar nicht die Prognose, aber die Symptome verbessern. Dazu gehören in erster Linie Digitalis, der If-Kanal-Hemmer Ivabradin sowie der Calcium-Sensitizer Levosimendan.

Implantation von Herzklappen Herzklappenfehler sind eine häufige, meist im Lauf des Lebens erworbene Erkrankung des Herzens. Dabei sind eine oder mehrere der insgesamt vier Herzklappen entweder verengt, verkalkt oder undicht. Wenn eine medikamentöse Behandlung nicht ausreicht, werden die defekten Herzklappen im Rahmen operativer Eingriffe entweder repariert oder ersetzt. „In den letzten Jahren gewinnt die sogenannte kathetergesteuerte Klappenimplantation oder -reparatur ohne Eröffnung des Brustkorbs immer mehr an Bedeutung“, berichtet OA Dr. Paul Vock MSc , 1. Oberarzt der Abteilung für Innere Medizin 3, Kardiologie Universitätsklinikum St. Pölten, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Leiter des Herzkatheterlabors, Arzt für psychotherapeutische Medizin. Die häufigsten eine Intervention erfordernden Klappenerkrankungen sind die Aortenklappenstenose und die Mitralklappeninsuffizienz.

Aortenklappenstenose: Neben dem traditionellen herzchirurgisch durchgeführten operativen Aortenklappenersatz am offenen Brustkorb etabliert sich in den letzten Jahren zunehmend die kathetergeführte Aortenklappenimplantation (TAVI), bei der biologische und künstliche Anteile kombiniert werden. In großangelegten Studien konnte nachgewiesen werden, dass nicht nur als inoperabel geltende Patienten sowie Patienten mit hohem und mittlerem Operationsrisiko von TAVI (vs. herkömmliche Operation) profitieren. Laufende Studien weisen darauf hin, dass dies auch für Patienten mit niedrigem Operationsrisiko gelten könnte. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Katheterklappe in Zukunft für die Aortenstenose als Therapie der ersten Wahl etablieren wird. Möglicherweise werden auch Hybridtechniken zum Einsatz kommen.

Mitralklappeninsuffizienz: Neben herkömmlichen chirurgischen Verfahren gewinnt die kathetergesteuerte Intervention wie etwa der sogenannte MitraClip an Bedeutung. Wichtige Voraussetzungen für die Einsetzbarkeit dieses Verfahren: nicht zu stark verkalkte Klappe, nicht zu sehr zerstörte Segel. Aktuelle Daten belegen, dass mit dieser Methode nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch die Mortalität verringert wird.

Unterstützung durch technische Devices „Bei unzureichend erfolgreicher medikamentöser Therapie stehen zur Behandlung von Herzinsuffizienz verschiedene technische Optionen zur Auswahl“, erläutert OA Dr. Christian Wollmann , Oberarzt in der Abteilung für Innere Medizin 3 Ambulanz Kardiologie, Universitätsklinikum St. Pölten: – Herzschrittmacher heben durch Abgabe schwacher Stromimpulse an die Herzmuskulatur eine zu langsame Herzfrequenz auf ein programmierbares unteres Niveau (z.B. 60 Schläge pro Minute) an. – Defibrillatoren sollen lebensbedrohliche, zu schnelle Herzrhythmusstörungen (z.B. Kammertachykardie, Kammerflimmern) beenden. Im Falle von regelmäßigen Kammertachykardien wird primär versucht, die Rhythmusstörung mittels mehrerer hochfrequenter Schrittmacherimpulse (schmerzfrei) zu beenden. Gelingt dies nicht oder liegt Kammerflimmern vor, wird die Rhythmusstörung durch einen Schock beendet. Moderne Defibrillatoren können in der Regel alles, was ein entsprechendes Schrittmachersystem kann, aber nicht umgekehrt. – Ziel der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) ist es, mithilfe einer dritten Elektrode eine simultane Stimulation zu erreichen. Damit kann im günstigsten Fall die Auswurfleistung des linken Herzens (Ejektionsfraktion, EF) verbessert werden. Sie kann je nach Bedarf mit einem Schrittmacher oder einem Defibrillator kombiniert werden. Grundsätzlich sollte bei jedem Patienten mit bekannter Herzerkrankung, Linksschenkelblock und Herzinsuffizienz-Symptomatik an die Möglichkeit einer CRT-Indikation mit/ohne Defibrillator gedacht werden.

Entzündung des Herzmuskels Entzündungen des Herzmuskels (Myokarditis) oder des Herzbeutels (Perikarditis) können durch ein breites Spektrum an Infektionserregern (v.a. Viren), aber auch durch nicht-infektiöse immunologische Erkrankungen ausgelöst werden. „Myokarditis tritt überwiegend bei jungen Männern auf und stellt bei Wettkampfathleten Todesursache Nummer 3 mit plötzlichem Herztod dar“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer , Facharzt für Innere Medizin, ZFA für Infektionen & Tropenmedizin, Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der MedUni Wien/AKH Wien. Das Spektrum der möglichen Beschwerden reicht von asymptomatisch (d.h. ohne Beschwerden) bis zum fulminanten kardiogenen Schock. Die Anfangssymptome sind uncharakteristisch, die Herzsymptomatik reicht von Herzklopfen oder -stolpern (Palpitationen) und Atemnot unter körperlicher Aktivität (Belastungsdyspnoe) über Angina pectoris bis zum Myokardinfarkt. Eckpfeiler der Therapie sind die Herzinsuffizienztherapie sowie ein absolutes Verbot von körperlichen Belastungen und Sport für mindestens drei Monate. Die Prognose einer Myokarditis ist meistens gut.

Psychosomatische Aspekte der Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz und psychische Beeinträchtigungen gehen häufig miteinander einher. „So leidet etwa ein Drittel aller herzinsuffizienten Patienten unter einer depressiven Symptomatik in unterschiedlichem Ausmaß“, betont OÄ Dr. Evelyn Kunschitz , Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie, Psychotherapeutin, Ambulanz für spezielle Psychosomatik in der Kardiologie im Hanusch-Krankenhaus. Depression kann zur Entstehung der koronaren Herzkrankheit beitragen, welche die häufigste Ursache für Herzinsuffizienz darstellt. Auf der anderen Seite wirkt jede Herzkrankheit als Stressor und kann damit zu psychischen Folgestörungen bis hin zu reaktiven depressiven Störungen führen.

Eine begleitende Depression bei Patienten mit Herzinsuffizienz kann auch nach Kontrolle der körperlichen oder somatischen Krankheitsschwere mit einer verschlechterten Prognose einhergehen und vor allem die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Herzinsuffizienz und Depression sind gut untersucht. Als Hauptmechanismen gelten autonom-nervöse Reaktionen über das autonome Nervensystem, neurohumorale Aktivitäten über Stresshormone sowie entzündliche Prozesse. Laut den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) sollte bei Patienten mit Herzinsuffizienz systematisch das etwaige Vorliegen einer Depression abgeklärt werden. Dazu sollten im Rahmen des Arztgesprächs zunächst folgende zwei Fragen gestellt werden, die aus dem Patientenfragebogen PHQ-9 zur Abklärung von Depressivität stammen:

– Haben Sie im letzten Monat oft unter Gefühlen von Niedergeschlagenheit, Depression oder Hoffnungslosigkeit gelitten? – Haben Sie im letzten Monat oft unter geringem Interesse oder Freudlosigkeit gelitten?

Bereits wenn eine dieser beiden Fragen mit „ja“ beantwortet wird, liegt die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Depression bei 50 Prozent. Ergänzend können beispielsweise weitere Fragen aus dem PHQ-9 angeschlossen werden, etwa nach Veränderungen des Appetits, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Energiemangel oder auch Gedanken an Selbstschädigung oder Suizid.

Insgesamt kann durch das ärztliche Gespräch und die Miterfassung der psychischen Komorbidität eine psychosomatische Grundversorgung bei herzinsuffizienten Patienten einfach und gut durchgeführt werden. Die medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz wirkt sich nicht nur auf den körperlichen Zustand positiv aus – häufig kommt es auch zu einer leichten Verbesserung der psychischen Begleitsymptome. Darüber hinaus kann regelmäßiges körperliches Training die psychische Befindlichkeit verbessern und die proinflammatorischen Zytokine senken. Weiters scheinen engmaschige Kontrollen in spezialisierten Herzinsuffizienz-Ambulanzen und das Ansprechen der Patienten auf ihr Befinden zu einer Verbesserung der Stimmungslage beizutragen. Besonders gute Erfolge sind durch psychotherapeutische Kurzinterventionen (v.a. kognitive Verhaltenstherapie) in Kombination mit körperlichem Training zu erreichen. Bei schwer ausgeprägten psychischen Veränderungen können auch Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Zusätzlich hat die Mitbetreuung von Angehörigen einen hohen Stellenwert.

Weitere Infos: http://www.medgesnoe.org

Links:

Pressemappe: http://hennrich-pr.at/upload/editor/Pressemappe_Herzinsuffizienz_13_11_2018.pdf

Audiobeiträge vom Pressefrühstück: (kostenlose Registrierung für JournalistInnen) https://o-ton.at/component/mfoton/6410?view=content

Bilder vom Pressefrühstück (© Franz Johann Morgenbesser) https://www.flickr.com/photos/vipevents/sets/72157675007575528

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