Wien/Trofaiach (pts017/13.09.2019/10:50) – Wie die steirische Stadtgemeinde Trofaiach in Kooperation mit nonconform den Leerstand bekämpft, das Stadtzentrum belebt, jungen Menschen Entwicklungschancen vor Ort bietet und nachhaltig in die Lebensqualität der Bevölkerung investiert.
Seit vier Jahren begleitet das Büro nonconform https://www.nonconform.at die Stadt Trofaiach in der Innenstadtentwicklung – mittlerweile ein Leuchtturmbeispiel für urbane Zukunftsstrategien über die Grenzen Österreichs hinaus. Im Rahmen des Pressefrühstücks am 12. September 2019 warf das Team von nonconform gemeinsam mit Mario Abl, MBA, Bürgermeister der Stadtgemeinde Trofaiach, mit Mag. Stephan Auer-Stüger, Experte für Stadtentwicklung beim Österreichischen Städtebund sowie mit Univ. Ass. DI Dr. techn. Nina Svanda vom Forschungsbereich Regionalplanung und Regionalentwicklung an der TU Wien einen Blick auf die Entwicklungen in Trofaiach sowie in die Zukunft der österreichischen Innenstädte.
Seit Jahren kämpfen Städte und Dörfer mit dem Phänomen aussterbender Zentren. Vor den Türen der Gemeinden werden Einkaufszentren und Wohnsiedlungen angelegt, deren funktionale Basis der motorisierte Individualverkehr darstellt. Infolge der dezentralen Siedlungserweiterungen verstummen die alten Ortskerne. Im schlimmsten Fall entsteht durch die fehlende Aktivitäten Leerstand in ehemals lebendigen Stadt- und Ortsmitten. „Wir sprechen vom Donut-Effekt – und der frisst die Ortskerne leer. Er entzieht Kommunen ihre Identität und macht sie für kommende Generationen unattraktiv“, sagt Roland Gruber, Geschäftsführer von nonconform. Zuerst entvölkern sich die Ortszentren, danach rutschen auch Gewerbe, Handwerk, Geschäfte und Gastronomie ins Donut-Loch.
Stadt- und Ortszentren wachküssen: Wie wird aus einem Donut ein Krapfen?
„Wir brauchen einen Krapfen-Effekt, damit in den kommunalen Zentren wieder die Süße des Lebens spürbar wird“, so Roland Gruber. Welcher Strategien und Maßnahmen bedarf es, damit sich die leeren Zentren wieder füllen? Wie lässt sich der zu erreichende Krapfen möglichst innovativ füllen, wenn der klassische Handel unwiederbringlich an die automobil erschlossenen Peripherien verloren ist? Damit die im Folgenden genannten Aspekte eines erfolgreichen Wachküssens funktionieren, muss eine Grundvoraussetzung erfüllt sein: Die handelnden Personen vor Ort, insbesondere die kommunalpolitischen Verantwortungsträger/innen, brauchen Rückgrat und Durchhaltevermögen.
1. Innenentwicklung vor Außenentwicklung An oberster Stelle steht das Bekenntnis von Politik und Verwaltung zur Devise „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“. Das bedeutet: volle Konzentration auf die Stärkung der Ortsmitten und die Potenziale der Nachverdichtung im Bestand sowie eine klare Absage an die Zersiedelung im Speckgürtel, die „den Donut“ befördert.
2. Innovative und lustvolle Öffentlichkeitsbeteiligung Die Bürger/innen mit mutigen Beteiligungsprozessen zum gemeinsamen Weiterdenken zu motivieren und mit ihnen eine Vielzahl an Ideen gemeinsam zu entwickeln, ist ein entscheidender Schritt in Richtung eines umfangreichen Raumrezeptes, mit dem sich am Ende die ganze Gemeinde wohlfühlt.
3. Installierung eines/r Zentrumskümmerers/in Für eine erfolgreiche Zentrumsbelebung braucht es eine sogenannte Kümmererperson, die dafür Sorge trägt, dass die im Masterplan vorgesehenen Projekte bedarfsorientiert und zeitgemäß umgesetzt werden.
Das Beispiel Trofaiach
Trofaiach https://www.trofaiach.gv.at ist eine etwas mehr als 11.000 Einwohner/innen zählende obersteirische Stadtgemeinde mit einer Gesamtfläche von 143,25 km ^ 2 und einer seit den 1980er Jahren schrumpfenden Bevölkerung. Nach einer Phase der extremen Zunahme an Zentrums-Leerstand – mit bis zu 35 leerstehenden Objekten (!) – identifizierten die Stadtverantwortlichen die Entwicklung des Stadtzentrums als gemeinsam zu lösende kommunale Hauptaufgabe. Sie beschlossen, hierfür das Wissen und Prozess-Know-how von nonconform zu nutzen. Ziel: den Donut in einen Trofaiacher Krapfen zu verwandeln.
In einem umfassenden Beteiligungsprozess der nonconform ideenwerkstatt mit rund 1.000 Bürgerinnen und Bürgern wurde gemeinsam ein Rezept zur Belebung des Stadtkerns entwickelt – aus rund 800 eingebrachten Ideen. „Von Anfang an war spürbar: Die Trofaiacher wollen wirklich etwas verändern. Und es war schnell klar, dass das Ziel der Ortskernbelebung nicht durch überhastete Renovierungen erreicht werden kann“, erzählt Trofaiachs Bürgermeister Mario Abl. Vielmehr habe es unterschiedlichster einander ergänzender Maßnahmen bedurft, für deren Umsetzung auch jemand Sorge tragen müsse: der Zentrumskümmerer. Er wurde mit dem Trofaiacher Erich Biberich gefunden.
Drei Jahre später kann eine positive Bilanz gezogen werden: Betriebe, Start-ups, Zwischennutzungen und Initiativen haben bereits rund zwei Drittel der leerstehenden Objekte neu besiedelt. Auch das zuvor viele Jahre leerstehende Wirtshaus öffnete wieder seine Pforten, die von stingl-enge architekten mutig gestaltete Begegnungszone weist den schwächeren, aber begegnungsoffeneren Verkehrsteilnehmer/innen mehr Stadtraum zu. Ein zehn Jahre lang leerstehendes Innenstadthaus beherbergt nun die Musikschule.
Im Dialog mit privaten Eigentümer/innen versuchen Zentrumskümmerer, Politik und Verwaltung Immobilien für zentrumsnahes Wohnen zu reaktivieren. Auf einer brachliegenden Bahntrasse wird in den kommenden Jahren neuer Wohn- und Lebensraum entstehen und eine Verbindung zwischen einzelnen Stadtteilen geschaffen. 2018 war Trofaiach Gastgeber eines Treffens von Stadt- und Ortskernkümmerern aus dem gesamten deutschen Sprachraum und forcierte die Verfestigung dieses erfolgreichen Konzepts sowie die Vernetzung der Akteure/innen.
„Wir kümmern uns!“
Am 18. und 19. September 2019 lädt nonconform in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt, dem Österreichischen Städtebund, dem Land Steiermark und der Stadtgemeinde Trofaiach zum Vernetzungstreffen „Wir kümmern uns!“ in Trofaiach. Gemeinsam werden dort Strategien zur Stärkung der Orts- und Stadtkerne entwickelt. https://www.wir-kuemmern-uns.at
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