Evidenzbasierte Phytotherapie

Wien (pts006/18.11.2016/08:00) – Insbesondere in der kalten Jahreszeit steigt die Häufigkeit von – zumeist viral bedingten – Erkältungskrankheiten. Nach wie vor werden oft Antibiotika verordnet, obwohl sie in dieser Indikation nur selten nützen, sondern vielmehr mit dem Risiko von Nebenwirkungen und Resistenzbildungen verbunden sind. Hier bieten pflanzliche Arzneimittel eine wirksame und sichere Alternative.

Bei einer Erkältung kommt es zur akuten Infektion der Schleimhaut von Nase und Nasennebenhöhlen, Hals und/oder Bronchien. Erste Anzeichen sind v.a. Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, gefolgt von Schnupfen. Weitere mögliche Beschwerden sind Kopf- und Gliederschmerzen, Mattigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber und Husten. Bei unkomplizierten Verläufen heilt eine Erkältung meist innerhalb von neun Tagen aus. „Zur Linderung der Beschwerden und zur Verkürzung der Erkrankungsdauer sind pflanzliche Arzneimittel besonders gut geeignet, weil die verwendeten Pflanzen bzw. die daraus gewonnenen Zubereitungen nicht nur eine einzelne Wirksubstanz – wie etwa bei einem synthetischen Arzneistoff – enthalten, sondern immer eine Mischung vieler Substanzen, einen ‚Arzneistoffcocktail’“, betont Univ.-Prof. Dr. Brigitte Kopp, Vizepräsidentin der HMPPA, Department für Pharmakognosie, Universität Wien.

Zur Behandlung von Erkältungserkrankungen steht eine breite Palette zugelassener pflanzlicher Arzneimittel zur Verfügung. Ihre Wirksamkeit wird von Kritikern immer wieder angezweifelt – völlig zu Unrecht. Denn: Für jedes hierzulande auf dem Markt befindliche Arzneimittel – unabhängig ob synthetischer oder pflanzlicher Natur – muss laut österreichischem Arzneimittelgesetz und gemäß internationalen Richtlinien der Nachweis der Wirksamkeit, der Unbedenklichkeit und der pharmazeutischen Qualität in der definierten Indikation erbracht sein.

Breite Palette an Arzneipflanzen

Je nach Pflanzenart finden sich darin immunstimulierende, entzündungshemmende, antibakterielle, antivirale, sekretolytische, d.h. schleimverflüssigende, oder reizmildernde Stoffe. Diese Kombination bewirkt in ihrer Gesamtheit die gewünschten positiven Effekte. „Als besonders effektive Wirkstoffe gelten Saponine, Alkaloide, ätherische Öle und Schleimstoffe“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Hermann Stuppner, Präsident der HMPPA, Abteilung für Pharmakognosie am Institut für Pharmazie, Universität Innsbruck. Die günstigen, teilweise synergistischen Wirkungen verschiedener Pflanzen werden häufig auch in Kombinationspräparaten genutzt. Hier eine Auswahl von Pflanzen mit nachgewiesenermaßen positiven Effekten bei Atemwegsinfekten:

Efeublätter (Hedera helix): enthält v.a. Saponine, Flavonoidglykoside, Phenolcarbonsäuren, Polyacetylene und ätherisches Öl. Komplexe Mechanismen vermitteln schleimlösende Effekte, eine Abnahme der Schleimviskosität sowie der Intensität und Frequenz von Husten und darüber hinaus auch eine Entspannung der bronchialen Muskulatur.

Thymiankraut (Thymi herba): enthält v.a. ätherisches Öl, Flavonoide, Triterpene und Phenolcarbonsäuren. Die Wirkung reicht von krampflösend, antibakteriell, antimykotisch und antiviral bis zu entzündungshemmend (1).

Spitzwegerich (Plantago lanceolata): enthält Polysaccharide, die eine Schutzschicht auf der Schleimhaut bilden. Darüber hinaus besitzt die Pflanze antimikrobielle, immunmodulatorische und entzündungshemmende Effekte. Im Vordergrund steht eine Besserung der Hustensymptomatik (2).

Eibischwurzel (Althaeae radix): eignet sich zur symptomatischen Behandlung von Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum und damit verbundenem trockenen Reizhusten (3).

Kapland-Pelargonie

„Eine besonders gut untersuchte Pflanze ist die südafrikanische Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides)“, erläutert Prim. DDr. Peter Voitl, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, ärztlicher Leiter des Ambulatoriums für Kinderonkologie in Wien 22. Der Pflanzenextrakt (EPs® 7630, enthalten in Kaloba®) enthält u.a. Cumarine, Phenolcarbonsäuren, Gerbstoffe und Flavonoide und wirkt antiviral, antibakteriell sowie sekretomotorisch (4-6). Er steigert die mukoziliäre Clearance, verbessert die Immunmodulation und vermittelt verschiedenste antibakterielle Effekte. So werden das Anhaften und Eindringen von Bakterien in die Zellen des Atmungstraktes gehemmt, die Phagozytose und antioxidative Effekte verbessert. Weiters wirkt der Extrakt der Kapland Pelargonie gegen die häufigsten viralen Erreger von Atemwegsinfekten wie z.B. Influenza-Viren, Adenoviren, Parainfluenza-Viren, Coxsackie-Viren, Corona- und Rhinoviren oder Respiratorische Synzytial-Viren (RSV)(4).

Eine aktuelle Meta-Analyse von 13 Studien mit fast 3.400 Patienten zeigte ermutigende Beweise für die Wirksamkeit und Sicherheit von Pelargonium sidoides Extrakt bei Kindern und Erwachsenen mit akuter Bronchitis sowie bei erwachsenen Patienten mit akuter Rhinosinusitis und bei Kindern mit akuter Tonsillopharyngitis (7).

Prim. Voitl: „Ich verwende den Extrakt der Kapland Pelargonie gerne in der Praxis bei Kindern, weil die Wirksamkeit belegt ist und das Präparat Kaloba®- seit einiger Zeit nicht nur als Tabletten oder Tropfen nun auch als Sirup verfügbar – auch gut angenommen wird. Weiterer Vorteil ist die Zulassung bei Kindern ab einem Jahr. Wir sehen häufig eine Milderung der Beschwerden und eine Verkürzung der Krankheitsdauer. Unsere Erfahrungen zeigen, dass der Einsatz der Pelargonie bei Infekten durchaus sinnvoll ist, um den Einsatz von Antibiotika hinauszuschieben oder sogar ganz einzusparen.“

Fazit

Zur Behandlung von Erkältungsinfekten steht eine breite Palette gut untersuchter Arzneipflanzen zur Auswahl. Wichtig ist in jedem Fall der frühzeitige Einsatz der Phytotherapeutika. Bei unkomplizierten Verläufen können sie auch ohne ärztliche Verordnung angewendet werden. Vor allem bei anhaltendem Fieber, Atemnot, Kopfschmerzen oder Nackensteifigkeit sollte jedoch in jedem Fall ein Arzt konsultiert werden.

Literatur: (1) Begrow F et al., Planta Med 2010;76(4):311-318. Epub 2009 Dec 6. (2) Loew D. Phytopharmaka III: Forschung und klinische Anwendung, 1997. Steinkopff, Darmstadt. (3) Fasse E et al., Praktische Pädiatrie 2005;11:3-8. (4) Michaelis M, Phytomedicine 2011;18(5):384-386. (5) Theisen LL, Muller CP. Antiviral Res 2012;94(2):147-56. (6) Conrad A et al., Phytomedicine 2007;14( Supplement 1:52-59. (7) Matthys H et al., J Lung Pulm Res 2016;3:68-81.

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